Dienstag, 10. März 2015

Rezension: "von den beinen zu kurz" am Mainfranken Theater

Die junge Dramatikerin Katja Brunner wagte sich mit ihrem Stück „von den beinen zu kurz“ mit bemerkenswerter Behutsamkeit an ein sensibles Thema: Sexuellen Missbrauch. Das Mainfranken Theater hat das Drama, welches sie mit gerade einmal 18 Jahren verfasste, nun in Würzburg auf die Bühne gebracht.

Vater, Mutter, Kind. Eine beschauliche Idylle. Und ein unverhofftes Glück – schließlich hatte das junge Ehepaar schon geglaubt, keine Kinder bekommen zu können. Die Geburt der Tochter erschien da beinahe als Wunder. Vor allem der Vater nimmt sich Zeit für das kleine Mädchen, teilt ihre Begeisterung für exotische Tiere, geht mit ihr in den Zoo, nimmt sie mit zum Wandern.
Als bei der Kleinen ein Scheidenpilz diagnostiziert wird, fängt die Fassade zwar an zu bröckeln, doch die Umwelt wie auch die Mutter ziehen es vor, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen. Und so muss das Mädchen noch jahrelang den Missbrauch durch seinen Vater erdulden. Bis es zur Katastrophe kommt, ebenso überraschend wie unausweichlich.



Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen: Der ganz normale Familienalltag


Die Dramaturgin Wiebke Melle betont im Gespräch mit Max & Julius die Herausforderung wie auch den künstlerischen Mehrwert dieses Stücks. Schließlich konzentriert sich die Handlung vollkommen auf die drei Kernfiguren, welche allesamt durch weibliche Akteure verkörpert werden. „Die Perspektive wechselt ständig. Es ist spannend, wie das Publikum darauf reagiert.“ Tatsächlich macht es gerade dieser beständige Rollenwechsel dem Zuschauer denkbar schwierig, sich eine Meinung zu bilden in diesem undurchsichtigen Spiel mit Macht und Angst. Auch die Figuren selbst agieren unsicher über die eigenen Positionen, wankend in ihrer eigenen Selbstauffassung. Nicht nur der Vater versucht, sein Handeln zu rechtfertigen, seine Frau befindet sich im beständigen Zwiespalt zwischen Mutterliebe und Eifersucht gegen ihre Tochter und auch das Opfer verteidigt ihren Peiniger gegen die stummen Anschuldigungen des Publikums. Mit fast erschreckender Leichtigkeit gelingt den drei eindrucksvoll agierenden Darstellerinnen die rasche Übernahme der anderen Rollen. Gerade durch den Einblick in den normalen Familienalltag, wie er ganz selbstverständlich neben dem Missbrauch der Tochter stattfindet, wirkt das Szenario ebenso unheimlich wie realistisch. Wiebke Melle ist überzeugt, dass der Kunst mit diesem Stück gelingt, wozu Debatten und Diskussionen nur langsam fähig sind – die Wahrnehmung für sexuellen Missbrauch zu schärfen und den Umgang mit diesem Thema zu sensibilisieren.
„von den beinen zu kurz“ ist ein dunkles, beklemmendes Stück, dessen Wortgewalt gerade angesichts des jungen Alters der Autorin seinen Zuschauern die Sprache verschlagen muss.

Weitere Termine: 11.3., 25.3., 17.4. und 10.5. um jeweils 20 Uhr

Text: Katharina Stahl
Bild: Mainfranken Theater Würzburg

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