Sonntag, 19. Januar 2014

Rezension: "Der Besuch der alten Dame" in der KHG



„Kill Ill“ – schon die kreative Wortneuschöpfung auf dem blutbefleckten Programm des KHG-Theaters weckt Neugier. So verwundert es nicht, dass schon wenige Minuten nach dem Öffnen der Tore für die Premiere des Stücks „Der Besuch der alten Dame“ von dem Schweizer Schriftsteller F. Dürrenmatt der Theaterraum in der Katholischen Hochschulgemeinde bis auf den letzten Platz gefüllt ist und viele Wartende auf die nächste Vorführung vertröstet werden müssen. Die Regisseure Florian Lußem und Angelina Gerhardt sind begeistert über den riesigen Ansturm auf die Premiere.
Neunzehn Schauspieler führen mit unglaublichem Talent die Tragikkomödie von 1956 in der klassischen Fassung auf. Das Stück dauert etwas über zwei Stunden – Respekt fürs Textlernen! Hauptperson ist die „alte Dame“ Claire Zachanassian, die nach vielen Jahren der Abwesenheit in ihren verarmten Heimatort Güllen zurückkehrt. Die eiskalte Milliardärin kommt mit Ehemann Nr. 7 (im Laufe des Stücks kommen noch Nummer acht und neun hinzu) und einem Gefolge ulkiger Typen in das eingeschlafene Dörfchen und verändert das Leben der Güllener für immer: Sie bietet der Stadt eine Milliarde an – die Rettung für die hoch verschuldete Bevölkerung. Doch ihre Bedingung hat es in sich. Sie will Rache und fordert den Tod Alfred Ills (ILL), ihrer großen Jugendliebe, der sie vor vielen Jahren verleumdet hat, als sie von ihm schwanger war. Die Güllener sind empört über die Aufforderung zum Mord und lehnen den Deal aus moralischer Überzeugung ab. Alfred Ill ist mittlerweile Familienvater, beliebtester Bürger des Ortes und zukünftiger Bürgermeister.
So bleibt die alte Dame in Güllen, wohl wissend über die Schwäche und Gier der Güllener. Ganz langsam breitet sich ihr negativer Einfluss aus und die Bürger, den Lehrer, die Bürgermeisterin, die Ärztin und sogar den Pfarrer lässt sie durch ihre bloße Anwesenheit immer mehr zweifeln: Was ist ein Menschenleben gegen Reichtum? Wunderbar dargestellt ist dieses Ausbreiten der Korruption, Gier und Schuld durch gelbe Kleidungsstücke, die sich die Bürger kaufen – das Geld der Zachanassian bereits fest einplanend. Es beginnt mit gelben Schuhen, Schals und Oberteilen. Bald trägt die Bürgermeisterin gelb, der Polizist und schlussendlich sogar der Lehrer. Einige Personen sind sich ihrer Schwäche anfangs noch bewusst und entschuldigen sich schon im Voraus für ihr zukünftiges Verhalten. Keiner hat den Willen oder die Kraft, sich zu wehren. Und so kommt es, wie die alte Dame geplant hat. Ill muss um sein Leben fürchten; er kann sich den indirekten Drohungen und Andeutungen seiner Mitmenschen nicht mehr entziehen und fügt sich am Ende widerstandslos seinem Schicksal.
Friedrich Dürrenmatts Stück ist ein Welterfolg – berechtigterweise. Es deutet auf die Missstände der Gesellschaft hin; auf Gier, Korruption, Schuld und Macht. Die Schauspieler inszenieren das Stück unglaublich packend und mit großem Talent, besonders die beiden Hauptdarsteller begeistern mit ihrer Professionalität. Die Premiere war ein Riesenerfolg, und so wird es mit Sicherheit bei den vier folgenden Aufführungen weitergehen. Also: Zuschauen wärmstens empfohlen! Allerdings muss man früh genug kommen, um noch einen Platz zu ergattern! Der Eintritt ist frei. 

Weitere Termine: 22., 23. und 25. Januar

 
Text: Friederike Wehrmann, Melissa Weyrich
Bild: KHG Würzburg

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