Sonntag, 6. Juli 2014

Typisch Würzburg: Der Nachtwächter

Wer kennt sie nicht? Sobald es in Würzburg dämmrig wird, laufen Abend für Abend Scharen von Menschen einem Nachtwächter hinterher, der in traditionellem Kostüm und mit der obligatorischen Laterne durch die Würzburger Innenstadt führt und aus dem Nähkästchen plaudert. Leider sind meist der Großteil der interessierten Teilnehmer Touristen – dabei lohnt es sich besonders auch als Würzburger, egal ob zugezogen oder gebürtig, mehr über die Geschichte der Stadt zu erfahren. In typisch fränkischer Mundart mutet die Stadtführung in keiner Weise wie eine Geschichtsstunde an, sondern eher wie ein gemütlicher Spaziergang mit jemandem, der die Stadt kennt und liebt. 

Startpunkt ist der Vierröhrenbrunnen, an dem der Nachtwächter mit seinem Horn die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich lenkt. Die Route führt über den Marktplatz, vorbei am Dom und durch einige Nebengässchen.
 Nachtwächter gab es hier bis Ende des 19. Jahrhunderts. Sie waren nicht nur für die Lampen zuständig, sondern sorgten auch für Ordnung und Sicherheit in den nächtlichen Straßen: Sie besaßen Schlüssel zu sämtlichen wichtigen Gebäuden, verscheuchten Einbrecher und Diebe und waren meist die ersten, die Brände wahrnehmen und die Bürger alarmieren konnten. Außerdem kannten sie alles und jeden in der Stadt – Klatsch und Tratsch über ehemalige Würzburger kommt dementsprechend auch in der Stadtführung nicht zu kurz.

Nach einer Stunde endet die Führung an einem ganz besonderen Geheimtipp: Dem Weinhaus „Zum Stachel“ in der Gressengasse nahe dem Marktplatz. Mit seinem wunderschönen Innenhof mit Urlaubsfeeling ist das Lokal auf jeden Fall etwas, das jeder Würzburger einmal besucht haben sollte. „Zum Stachel“ ist der älteste Gasthof Würzburgs und einer der ältesten deutschlandweit, erstmalig erwähnt im Jahr 1319. Der ungewöhnliche Name stammt aus dem Bauernkrieg im 16. Jahrhundert, erklärt der Nachtwächter. Der Stachel war damals Treffpunkt für die Aufständischen und Rebellierenden. Als Zeichen für besondere Treffen wurde ein Morgenstern aus dem Fenster gehängt, wo auch heute noch einer symbolisch hängt. Bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg wurde der Innenhof stark zerstört, ist mittlerweile aber wieder im alten Stil an gleicher Stelle nachgebaut.

Also: Egal ob mit oder ohne großem Interesse an Historischem und Geschichte, eine Nachtwächtertour mit einem anschließendem Glas Wein im „Stachel“ sollte sich keiner, der in Würzburg lebt, entgehen lassen! Tipp: Unter der Woche sind die Gruppen wesentlich kleiner; wer also keine Lust auf Scharen von Touristen hat, sollte die Führungen von Freitag bis Sonntag wohl lieber meiden.

Höhepunkt der Nachtwächterführung: Der älteste Gasthof Würzburgs und einer der ältesten deutschlandweit.

Text und Bild: Friederike Wehrmann

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